Sie haben in Leipzig Sinologie studiert? Sie fragen sich, was aus Ihren ehemaligen Mitstudierenden geworden ist? Sie möchten über die Aktivitäten der Leipziger Sinologie informiert sein und vielleicht selber Ihre Erfahrungen weitergeben? Sehr gerne nehmen wir Sie in unsere Absolvent*innen-Datebank auf. Unsere Absolvent*innen-News auf dieser Seite informieren Sie regelmäßig über aktuelle Aktivitäten der Leipziger Sinologie und ihrer Absolvent*innen Xiaoyou 校友 – den "Freund*innen der Sinologie" .

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Terrakotta-Soldaten stehen aufgereiht hintereinander.
Terracotta army in the tomb of the first emperor of China. Photo: Thorben Pelzer

Absolvent*innen der Leipziger Sinologie

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Neue Veröffentlichungen

Unser Xiaoyou Sheng Yang 盛洋 hat in Taiwan eine chinesische Fassung seiner Dissertation über Xuan Dings Yeyu qiudenglu 夜雨秋燈錄 veröffentlicht.
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Preise und Auszeichnungen

Unser Xiaoyou Stefan Kukowka hat eine Auszeichnung vom Bildungsministerium von Taiwan erhalten.
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Xiaoyou im Profil

Karriere- und Lebenswege sind vielfältig. In unserer Reihe „Xiaoyou im Profil“ berichten Absolvent*innen von ihren Erfahrungen aus Studium und Beruf, sie teilen Erinnerungen und persönliche Geschichten. So erhalten Sie interessante Einblicke in die Lebensläufe Ehemaliger unserer Alma mater.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Andre Triebe, Foto: privat
Andre Triebe, Foto: privat

1.Warum hatten Sie sich für ein Sinologiestudium entschieden? Welche beruflichen Ziele hatten Sie, bevor Sie das Studium aufgenommen haben, welche während des Studiums? Wie hat sich Ihr Interesse an und Ihr Blick auf China während des Studiums entwickelt?

 

Ich hatte mich ursprünglich für das Sinologiestudium entschieden, da das Land und die Region um China generell zu Beginn meines Studiums schon enorm an Relevanz für die internationale Wirtschaft und Diplomatie gewonnen hatte. Kombiniert mit meinem Zweitfach, Volkswirtschaft, erschien mir Sinologie damals als sehr passende Kombination von Fächern. Hinzu kam, dass die Aussichten einen Beruf im relevanten Feld des Handels mit China sehr wahrscheinlich erschien und daher natürlich ein weiterer großer Antrieb für meine Wahl war.

An diesem Blick auf das Studienfach und China bzw. Taiwan hat sich während des Studium kaum etwas geändert. Natürlich hat sich meine Sicht auf die Länder und ihre wirtschaftlichen und diplomatischen Verwicklungen differenziert, im Grunde denke ich aber, dass ich das Studium mit dem richtigen Ansatz begonnen habe. Dass die Berufssuche, wenn man etwas „mit Wirtschaft und China“ macht, einfach sein wird, war jedoch etwas naiv.

 

2.Was war die wichtigste Erfahrung oder Einsicht, die Sie aus dem Studium gewonnen haben? Welche Schwerpunkte haben Sie in Ihrem Studium gelegt? Welche Eindrücke haben Sie aus Ihren Studienaufenthalten in der VR China oder Taiwan mitgenommen?

 

Die wichtigste Einsicht, die ich für mein Berufsleben mitgenommen habe, ist, dass es sich lohnt, Zeit in ein Zweitfach zu investieren. Auch wenn Volkswirtschaft keine Naturwissenschaft oder eine andere sog. „hard science“ ist, öffnet dieses Fach doch mehr Möglichkeiten für mich, als wenn ich nur Sinologie studiert hätte. Meines Erachtens ist es also wichtig, sich schon früh Gedanken über eine Spezialisierung zu machen und diese zu verfolgen. Mein Schwerpunkt im Studium war stets die Wirtschaft und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Europa, bzw. Deutschland und China und Taiwan. Hierüber habe ich auch meine Masterarbeit bei der IHK zu Leipzig geschrieben und meinen Einstieg ins Berufsleben gefunden.

Aus den Studienaufenthalten in China und Taiwan habe ich vor allem mitgenommen, dass das Sprachtraining hier im Vordergrund steht. Das ist durchaus sinnvoll, aber dadurch wird den Studenten auch viel wichtige Arbeit selbst überlassen: Kontakte zu einheimischen Studenten zu knüpfen, Spezialisierungen zu verfolgen und Kurse ins Currikulum in Deutschland zu integrieren. Das alles kann im Rahmen des Auslandsaufenthalts etwas in den Hintergrund geraten, wenn man erwartet, dass es für einen erledigt wird.

Eine weitere tolle Erfahrung für mich war das mannigfaltige Kursangebot an Universitäten in China und Taiwan (Beijing Foreign Studies University in Beijing und Chenggong University in Tainan). Hier lohnt es sich auf jeden Fall für Studenten neue Dinge auszuprobieren. In meinem Fall waren das neben Wirtschaftskursen auch Malen (Guohua) und Judo, welche ich auch bis heute noch weiter mache.

 

3. Wie verlief Ihr Lebens- und Arbeitsweg seit dem Abschluss Ihres Sinologie-Studiums? Wie sehr hat Ihr Studium oder haben bestimmte Studieninhalte Ihre jetzige berufliche Situation beeinflusst? Welche Kompetenzen, die Sie im Studium erworben haben, haben sich als nützlich für Ihren beruflichen Alltag herausgestellt? Stehen Sie noch in Kontakt mit ehemaligen Kommiliton*innen oder Lehrkräften?

 

Ich startete nach dem Abschluss meines Masterstudiums in Leipzig bei einer chinesischen Firma mit Produktion in Halle (Saale) im Vertrieb. Hier hatte ich zuvor schon als Simultanübersetzer ein Praktikum gemacht und mich daher schon früh bewiesen. Mein Wissen um interkulturelle Kommunikation und natürlich die chinesische Sprache halfen mir hier viel. Seitdem arbeitete ich auch in anderen Firmen teils mit mehr oder weniger Fokus auf China bzw. Taiwan.

Vor allem der Fokus meines Studiums auf Wirtschaftsfragen hat meinen Berufsweg bisher sehr beeinflusst. Die Qualifikationen, die ich so erwerben konnte, heben mich häufig im Beruf hervor und helfen mir dabei, mich bei der Arbeit oder auch bei Bewerbungen zu profilieren.

Eine wichtige Kompetenz, die ich vor allem in Auslandsaufenthalten in China und Taiwan erworben habe, ist viel und lange zu lernen, um schnell Sprachkenntnisse zu erwerben – mehrere Hundert Vokabeln starke Lektionen pro Woche machten dies nötig. Dies war auch für das Erlernen anderer Sprachen sehr wichtig für mich und half mir auch sonst schnell Informationen zu verarbeiten und zu nutzen. Zudem ist die Kontaktfreudigkeit, die ich in meinen Auslandsaufenthalten erworben habe, sehr praktisch, wenn es um das Kontakteknüpfen im Beruf geht.

Mit ehemaligen Kommilitonen habe ich noch Kontakt. Mit Lehrkräften nicht, da ich generell wenig mit Lehre zu tun habe.

 

4.Welchen Tipp würden Sie Interessent*innen an einem Sinologie-Studium geben? Was würden Sie gegenwärtigen Studierenden der Sinologie mit auf den Weg geben?

 

Wer sich für die chinesische Kultur und Sprache interessiert ist mit einem Sinologiestudium sicher gut bedacht. China und besonders Taiwan haben sehr viel für Studierende zu bieten und haben zumindest mich persönlich fürs ganze Leben bereichert. Zeitgleich sollte man sich auch darüber bewusst sein, dass eine „Regionalwissenschaft“ wie Sinologie nicht das einzige Studienfach sein kann.

Interessierten sowie bereits Studierenden würde ich auf jeden Fall empfehlen sich zu spezialisieren. Wenn man nur Sinologie studiert, hat man zwar den Vorteil, Chinesisch zu können und viel über China und Taiwan zu wissen, diese Kenntnisse sind im Arbeitsmarkt jedoch meist nur als schöner Bonus angesehen. Für einen Einstieg in die Wirtschaft ist es z.B. wichtig, sog. „hard skills“ zu erwerben, oder zumindest Fähigkeiten, die als solche angesehen werden. (Dies trifft natürlich nicht 100%ig zu, wenn man nicht vor hat in die Wirtschaft zu gehen. In der Forschung ist man sicher auch mit einem Einzelfach Bachelor und Master gut bedient.) VWL ist z.B. auch eine Sozialwissenschaft, wird aber offenbar gern bei Firmen und Instituten gesehen. Fächer wie Jura, Soziologie, Politik, Geographie sind aber alle sehr nützlich und hilfreich, um auch später interessante Berufe mit seinen Kenntnissen um China verbinden zu können.

Des Weiteren denke ich, dass es sehr wichtig ist Praktika zu machen. Ohne diese hätte ich heute nicht meine weitreichenden Kenntnisse und Kontakte und sicher auch nicht meine aktuelle Arbeit. Arbeitserfahrung wird beim Berufseinstieg zwingend benötigt, und je mehr man von dieser vorweisen kann, desto mehr hebt man sich aus der Menge von Bewerbern hervor, abgesehen davon, dass es auch einen selbst bereichert.

Hier gibt es viele Möglichkeiten, die sich gut mit dem Studium kombinieren lassen. Praktika an Handelskammern, in Botschaften oder bei Privatfirmen sind meist leicht zu bekommen und im Ausland teils auch durch den DAAD oder andere Institutionen gestützt. Hier kann man dazu auch seine Sprachkenntnisse erweitern und mehr von Ländern wie China und Taiwan erleben, als wenn man sich hauptsächlich auf dem Campus einer Sprachschule bewegt.

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Foto: privat

1. Warum hatten Sie sich für ein Sinologiestudium entschieden? Wie hat sich Ihr Interesse an und Ihr Blick auf China während des Studiums entwickelt?

Eigentlich habe ich mich schon sehr früh für China interessiert. Meine Mutter war 1997 in Beijing und berichtete begeistert von ihren Eindrücken. Das fand ich spannend und ich begann über China zu lesen, vor allem über die neuere Geschichte, Entwicklungen seit der Reform und Öffnung, Kultur und Religion. Meine Begleiter waren Oskar Weggels China, Bücher über die Kulturrevolution und Romane von Zhang Ailing. Als ich 16 war, boomten gerade die Reisevorträge über Tibet, von denen ich unzähliche zusammen mit Freunden besucht habe. Erst später habe ich mit dem Gedanken gespielt, Sinologie auch zu studieren und habe vor dem Abitur an der VHS einen Chinesischkurs belegt. Ganz besonders habe ich mich für die Religionen Chinas interessiert.

2005 habe ich mich dann für Sinologie und Religionswissenschaft eingeschrieben, was sich als eine gute Kombination herausstellte, zumal Hubert Seiwert, Christian Meyer und auch Philip Clart diesen Forschungsschwerpunkt haben. Am Anfang saß ich mit dicken Wörterbüchern am Schreibtisch, um Schriftzeichen nachzuschlagen. Heute ist Chinesischlernen mit Apps wesentlich komfortabler.

2007 reiste ich dann mit Kommilitonen das erste Mal nach China. Wir wollten unsere gewonnenen Sprachkenntnisse anwenden und das Land besser kennenlernen, mit dem wir uns seit zwei Jahren befasst hatten. Voller Elan und Zuversicht sind wir in den Flieger gestiegen und mussten in China ernüchtert feststellen, dass wir nicht viel verstehen konnten, geschweige denn uns jemand verstand. Auch die chinesischen Speisekarten ohne Bilder machten uns zu schaffen. Deshalb ist es gut, wenn man alles isst, dann probiert man bei scharfem Hotpot allerlei Innereien, die man aus Versehen bestellt hat. Jetzt ist das Leben in China mit Smartphone extrem 方便 und ich kann mir kaum mehr vorstellen, wie ich mich zuvor mit Wörterbuch und Stadtkarten durch China bewegt habe.

Das Ergebnis der vierwöchigen Reise war mehr Faszination für das Land und die Leute. Ich steckte mir deshalb mein neues Ziel: Wann immer möglich auf nach China!

 

2. Was war die wichtigste Erfahrung oder Einsicht, die Sie aus dem Studium gewonnen haben?

Besonders geprägt hat mich die Zeit meines Auslandsaufenthaltes, den ich 2008/09 in Nanjing an der 南京师范大学 verbrachte. So ein Jahr ist mit Herausforderungen und persönlichem Wachstum verbunden. Mir waren die Unterschiede in den Lebensgewohnheiten, gesellschaftlichen Beziehungen etc. zwischen China und Deutschland schon bewusst, ich hatte viel darüber gelesen - dachte ich. Allerdings habe ich mich manchmal bei dem Gedanken ertappt, dass es doch eigentlich gar nicht  so viele signifikante Differenzen hinsichtlich des gesellschaftlichen Lebens gibt. Ich lebe und arbeite jetzt seit drei Jahren in China und stelle immer wieder fest, dass ich mich darin getäuscht habe.

Die wichtigste Lektion, die ich gelernt habe, ist: Unvoreingenommen bleiben. Dadurch ist es möglich, die ausgetretenen Pfade des eigenen Denkens und der gesellschaftlichen Prägungen zu verlassen und offen für die Lebensgewohnheiten und Weltanschauungen anderer zu sein. Bei meiner Arbeit als Deutschlehrerin wurde ich noch mehr als zuvor gezwungen, mich mit meinem Herkunftsland zu befassen, um den Schülern grundlegende Kenntnisse vermitteln zu können. Dies förderte auch die Fähigkeit, das Eigene zu reflektieren und anzunehmen. Überraschend ist auch, welch positives Deutschlandbild die Jugendlichen hier haben.

 

3. Wie verlief Ihr Lebens- und Arbeitsweg seit dem Abschluss Ihres Sinologie-Studiums?

Nach dem Magisterabschluss 2012 habe ich am Konfuzius-Institut Leipzig gearbeitet und mich danach für die Promotion an der FU Berlin entschieden. In der Arbeit befasse ich mich mit der chinesischen Religionswissenschaft seit 1978. Mithilfe der Unterstützung von Christian Meyer konnte ich einen einjährigen Forschungsaufenthalt am Institute of Sino-Christian Studies realisieren (2014/5) und so Zugang zur unglaublich gut ausgestatteten Bibliothek der Chinese University of Hong Kong (CHUK) bekommen sowie Kontakte zu Wissenschaftlern knüpfen. Hongkong als Stadt und die Menschen dort kennenzulernen, bereicherte mein Chinabild ungemein. 2018 zog es mich wieder zurück nach China. Nachdem ich zwei Jahre in Zhenjiang und ein Jahr in Nanjing an einer Highschool Landeskunde bzw. DAF unterrichtet habe, plane ich Jiangsu endlich einmal zu verlassen. Ab dem Wintersemester 21/22 werde ich an einer Uni in Wuhan arbeiten.

 

4. Welchen Tipp würden Sie Interessent*innen an einem Sinologie-Studium geben?

Viele meinen, Chinesisch sei schwer zu lernen. Dennoch ist meiner Ansicht nach gerade jetzt die bestmögliche Zeit, denn mit den vorhandenen Hilfsmitteln und Austauschmöglichkeiten war der Spracherwerb noch nie so einfach. Die Sprache ist ein unverzichtbarer Türöffner zu den Menschen und der Kultur in China. Die meisten bringen auch Geduld beim Sprechen mit der/m Lernenden auf und sind bereit, in Kontakt zu treten. Allerdings sollte man schon eine innere Motivation haben, sich für das Land interessieren und es vielleicht nicht nur auf Wirtschaft und Politik reduzieren

Ich habe die Entfaltungsmöglichkeiten und Offenheit am Ostasiatischen Institut sehr geschätzt. Das Institut zeichnet sich durch engagierte Mitarbeiter aus, die Studierenden bei der akademischen, aber auch menschlichen Entwicklung wohlwollend unterstützen.

Und man sollte die Chance nicht auslassen, nach China zu gehen. Für Sprachkurse, Praktika, Studium oder Jobs. Es gibt verschiedene Fördermöglichkeiten mit guten Erfolgschancen.

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Stefan Kukowka, Foto: privat

1. Warum hatten Sie sich für ein Sinologiestudium entschieden? Wie hat sich Ihr Interesse an und Ihr Blick auf China während des Studiums entwickelt?

 

Bis zum Sommer 2012, kurz vor Ende der Bewerbungsfristen der zulassungsfreien Studiengänge, war China für mich nichts weiter als ein weit entferntes Land am Ende des Horizonts, das von Zeit zu Zeit in den Nachrichten auftauchte, und das ich als Kind wohl das erste Mal durch den Zeichentrickfilm Mulan wahrnahm. China war so weit von meinem Lebensmittelpunkt entfernt, dass selbst das Wort ‚Sinologie‘ nicht wirklich in meinem Vokabular vorhanden war. Nichtsdestotrotz traf ich die Entscheidung für ein Sinologie-Studium innerhalb eines Tages und bereue sie bis zum heutigen Tage nicht. Selbstverständlich geht diesem impulsiven Entschluss eine gewisse Zeit voraus, in der ich über mich selbst und mein Leben reflektierte, dennoch war China anfangs kein Teil dieser Reflektionen.

Nach dem Abitur begann ich ein Studium der Geowissenschaften in Jena, das ich nach einem Semester abbrach, da mir die Motivation fehlte, mich in Physik und Chemie in der Tiefe einzuarbeiten. Außerdem waren Erwartungen und Realitäten des Studiums zu sehr voneinander entfernt. Danach überlegte ich an der Bauhaus-Universität in Weimar Architektur zu studieren, da Design und Kunst eines meiner Lieblingsfächer während des Abiturs waren. Von meinen Eltern wurde mir aber geraten erst eine Ausbildung abzuschließen, um etwas ‚in der Tasche zu haben‘, da es im Falle des Falles eine gewisse Sicherheit biete. Dem stimmte ich, wenn auch etwas widerwillig zu und begann eine dreijährige Ausbildung zum Immobilienkaufmann. Nach wenigen Monaten wurde mir bewusst, dass der Arbeitsalltag und die Inhalte der Berufsschule mich intellektuell nicht forderten und förderten. Dennoch setzte ich die Ausbildung fort, verkürzte sie aber auf zwei Jahre und begann in meiner Freizeit mich durch die Geschichte europäischer Philosophie zu arbeiten, angefangen bei Arthur Schopenhauer. Im laufe dieser zwei Jahre kreuzten meine Wege auch die Werke des Schweizer Sprachwissenschaftlers Ferdinand de Saussure und des Psychologen Jean Piaget, die mein Interesse für Linguistik, aber besonders der Psycholinguistik, weckten. Als mir die Schriften des vierzehnten Dalai Lama in die Hände fielen, die damals immer populärer wurden, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf tibetische Geschichte und tibetischen Buddhismus – der erste große Schritt in Richtung ‚Osten‘. Den nächsten imaginären Schritt über den Himalaya nach China machte ich, als die Mutter eines Freundes mir Chen Kaiguos „Der geheime Meister vom Drachentor: Magie, Schamanismus und Alchemie im kommunistischen China“ gab, das die Lebensgeschichte Wang Lipings, der die achtzehnte Generation des Drachentor Daoismus der Quanzhen Schule repräsentiert, beschreibt. Das Buch beendete ich innerhalb eines Tages, und ich entschied mich, nach einem Studiengang zu suchen, der sich mit Sprache, Philosophie, Geschichte und China befasst. Recht schnell stieß ich auf das Ostasiatische Institut der Uni Leipzig, besuchte den Tag der offenen Tür – die Bewerbung war aber längst abgeschickt – und erwartete den Beginn des Studiums.

Sowohl die sprachliche Herausforderung Chinesisch zu erlernen als auch die intellektuellen Anforderungen dieser akademischen Umgebung waren das, wonach ich in der Zeit vor dem Studium suchte und die mich seitdem erfüllen.

 

2. Was war die wichtigste Erfahrung oder Einsicht, die Sie aus dem Studium gewonnen haben?

 

Die wichtigste Erfahrung während des Bachelorstudiums war nicht nur die Möglichkeit, die Zeit zu haben abseits der Lehrveranstaltungen die Sprache sofort mit chinesischen Austauschstudierenden in Leipzig anwenden und erste Eindrücke über China sammeln zu können, sondern das Auslandsjahr in China 2014/15. Die Herausforderung, fernab der gewohnten Umgebung und der heimischen Kultur völlig auf sich selbst gestellt zu sein und täglich in einer Fremdsprache kommunizieren zu müssen, hat meine Selbstständigkeit und Organisationsfähigkeit erheblich verbessert. Darüber hinaus wandelte sich meine Selbstwahrnehmung und Wahrnehmung des ‚Fremden‘ (nicht nur in Bezug auf China) insofern, dass ich offener für Neues wurde und mittels des erlernen Fachwissens und der Sprachkenntnisse eine neue Perspektive auf meine eigene Kultur erlangte. Kulturen mögen sich in vielerlei Hinsicht unterscheiden, uns eint aber die (fast banal erscheinende) Tatsache, dass wir alle nach einem guten Leben streben. China und Taiwan haben mich sowohl in meiner Lebensführung als auch im akademischen Sinne bereichert.

 

3. Wie verlief Ihr Lebens- und Arbeitsweg seit dem Abschluss Ihres Sino-Studiums?

 

Nach dem Bachelorstudium zog es mich nach Taipei, Taiwan, um meine sprachlichen Fähigkeiten weiter zu vertiefen, da ich ein Masterstudium der Religionswissenschaften auf Chinesisch an der National Chengchi University (NCCU) anstrebte. In den Jahren 2016/17 besuchte ich die Sprachkurse des Mandarin Training Center der National Taiwan Normal University, und im Herbst 2017 begann das Masterstudium mit Fokus auf gegenwärtigen Buddhismus, welches ich im Sommer 2020 abschloss. Seit Herbst 2020 promoviere ich am Institut National des Langues et Civilisations Orientales in Paris und an der National Chengchi University im Rahmen eines Cotutelle-Promotionsverfahren. Seit Anfang 2018 arbeite ich als wissenschaftliche Hilfskraft und gebe als Tutor ein Seminar auf Bachelorniveau an der NCCU. Das Fundament für diesen Weg wurde mir durch die exzellente akademische Betreuung von Prof. Clart, Prof. Kleine, Dr. Schatz und die sprachliche Ausbildung von Frau Drinhausen und Frau Liu ermöglicht.

 

4. Welchen Tipp würden Sie Interessent*innen an einem Sino-Studium geben?

 

Unsicherheit in Hinblick auf die Wahl des Studienganges ist normal und schwindet erst, wenn man mit dem Studium begonnen hat und merkt, was man damit eigentlich machen kann. Da Sinologie eine Regionalwissenschaft ist, sind der eigenen Entfaltung keine Grenzen gesetzt. Ob Politik, Wirtschaft, Geschichte, Philosophie, Gesellschaft, Sprache, Religion, etc. – all das kann in Bezug auf China aus historischer oder gegenwärtiger Perspektive betrachtet werden. Das Sprachstudium mag am Anfang viel Zeit und Mühe beanspruchen, es lohnt sich aber wirklich, da sich einerseits berufliche und kulturelle Türen öffnen werden, die man vorher nicht im Blickfeld hatte. Andererseits ist die Herzlichkeit, mit der man in Taiwan und China begegnet wird, wenn man die Sprache kann, Zeugnis der eigenen Mühen. Wer ein Interesse für Sprachen und China mitbringt, seine Komfortzone verlassen und eine andere Kultur kennenlernen möchte, ist am Ostasiatischen Institut Leipzig bestens aufgehoben.

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1. Warum hatten Sie sich für ein Sinologiestudium entschieden? Welche beruflichen Ziele hatten Sie, bevor Sie das Studium aufgenommen haben, welche während des Studiums? Wie hat sich Ihr Interesse an und Ihr Blick auf China während des Studiums entwickelt?

 

Die Wahl meines Studiums war mehr oder weniger Zufall. Ich wusste nach dem Abi nicht, was ich studieren wollte; es gab ja so vieles, was sich interessant anhörte. Klar, seit meinem „Studium“ der Digedags und Abrafaxe fand ich ferne Kulturen klasse, aber die Broschüren des Arbeitsamts z.B., wo wir mit der Schule hintrabten, hatten dazu wenig beizutragen. Da gab es nicht mal ein eigenes Heft für Sinologie.

Während des Zivildienstes legte ich mich dann immerhin auf Religionswissenschaft und Ethnologie fest. Den Rest überließ ich dem Schicksal, welches in Erscheinung von Herrn Mürmel von der Leipziger Religionswissenschaft auftrat, der meine Studienberatung durchführte. Ein seltsamer Kauz, dachte ich, aber in seinem schönen, melodischen Bautz’ner Sächsisch schwadronierte er faszinierend über andere schräge Vögel, wie Ludwig Ankenbrand, der in einem Haus in Taucha gegenüber dem, in dem ich aufgewachsen war, gewohnt hatte, bevor er 1912 zu einer „buddhistischen Weltreise“ zu Fuß (mit Hund und Esel) aufbrach—das Haus existiert nicht mehr und ich hatte nie zuvor von solchen Verrückten aus meiner Heimatstadt gehört. Aber Herr Mürmel war auch „schuld“ daran, dass ich nicht Indologie wählte, sondern es mit Sinologie probierte. Das wäre besser, meinte er, da müsste man nur eine Sprache lernen. Und seit 1978 gäbe es jede Menge neuer Sachen zu entdecken.

Die Sprache machte am Anfang sogar jede Menge Spaß—man merkte ja jeden noch so kleinen Fortschritt—und eigentlich war sie gar nicht so schwer, wie alle immer glaubten. Klar, dazu der nicht zu verachtende Coolnessfaktor, auf einer Partei auf die Frage: „Und, was machst du so?“ trocken „Chinesisch“ antworten zu können. Kennen wir doch alle. Und was die Zukunft anbetraf: Zur Not würde man eben Tattoos stechen können (vorzugsweise seitenverkehrt, als Inside-joke). Das mit der „einfachen“ Sprache war übrigens beim ersten Versuch vorbei, in Taiwan vom Flughafen zur Uni zu finden. Wieso sprachen die alle so schnell? Und so anders? Aber als junger Mensch gewöhnt man sich auch daran, zumal es einem die Taiwaner tatsächlich äußerst einfach machen, sich dort wohlzufühlen.

Berufliche Ziele hatte ich nie wirklich: In einem angenehmen Klima mit netten Leuten arbeiten, das würde schon reichen. Und am besten was machen, bei dem ich mich moralisch nicht vor mir selbst verstecken müsste. (Adieu, deutsche Industrie…) Letzen Endes bin ich der akademischen Welt treu geblieben—warum, kann ich gar nicht so genau sagen, außer, dass es ein Privileg ist, sich ständig weiterbilden zu dürfen und dafür im besten Falle auch noch bezahlt zu werden. Weniger als andere, ist klar, aber zum Leben hat es bisher gereicht.

 

2. Was war die wichtigste Erfahrung oder Einsicht, die Sie aus dem Studium gewonnen haben? Welche Schwerpunkte haben Sie in Ihrem Studium gelegt? Welche Eindrücke haben Sie aus Ihren Studienaufenthalten in der VR China oder Taiwan mitgenommen?

 

Taiwan ist mein Kleinod, das wird vielen so gehen, die es besuchen. Ich fahre immer noch alle zwei bis drei Jahre hin. Nach einem Jahr Aufenthalt kehrte ich 2007 zurück, so wie die Kommilitoninnen, die in China waren. Und dann führten wir „Stellvertreterkriege“ in Leipzig, was den internationalen Status Taiwans anging. Sehr witzig, wenn man im Nachhinein drüber nachdenkt. Wenn wir uns nicht stritten, hatten wir aber eine ziemlich großartige Studienzeit. Ich hatte echt großes Glück mit diesen Leuten: Wir organisierten einen Filmklub und dann eine studentische Zeitschrift, die es immerhin auf 13 verflixte Ausgaben brachte.

Darüber hinaus war die Studienzeit ein sozialer Reifungsprozess. Ich hab mich am Anfang in keinem Seminar getraut, was zu sagen, und wenn, dann konnte ich oft genug meine Sätze nicht mal ordentlich beenden. Mit den Jahren wächst aber das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Um ehrlich zu sein, waren die sozialen Aspekte dessen, was man im Studium gelernt hat, am wichtigsten. Das Spannende ist dann, sich selbst zu entwickeln. Für mich hieß das: Auslandsaufenthalte—neben zwei Jahren Taiwan auch ein Jahr Erasmus in Schweden—die erwähnte Zeitung, politisches Engagement in der Fachschaft (da kann man auch lustige Dinge machen, wie Parties zu organisieren).

 

3. Wie verlief Ihr Lebens- und Arbeitsweg seit dem Abschluss Ihres Sinologie-Studiums? Wie sehr hat Ihr Studium oder haben bestimmte Studieninhalte Ihre jetzige berufliche Situation beeinflusst? Welche Kompetenzen, die Sie im Studium erworben haben, haben sich als nützlich für Ihren beruflichen Alltag herausgestellt? Stehen Sie noch in Kontakt mit ehemaligen Kommiliton*innen oder Lehrkräften?

 

Ich bin nun in Boston und promoviere in Anthropology mit einem Thema über religiöse Marginalisierung und Erneuerung in Taiwan. Was Forschungsthemen angeht, ist Taiwan—obwohl klein—nicht von schlechten Eltern, vor allem, da die jungen Leute mit vielen innovativen Ideen hantieren, wie sie ihre Gesellschaft besser, gerechter und demokratischer gestalten können. Ich bin da von der Sunflower-Bewegung geprägt; hatte 2014 das große Glück dabei sein zu können, als junge Aktivistinnen das Parlamentsgebäude besetzten. (An dieser Stelle ist dann mal gut mit der Propaganda, ich werde ja schließlich nicht von der Taipeh-Vertretung bezahlt.)

Mit einigen Leuten aus dem Studium stehe ich noch in Kontakt, wenn auch weniger mit Sinologinnen. Das liegt zuallererst an mir, weil ich mich so weit in die Ferne begeben habe. Aber Leipzig ist Heimat und die Leute, die noch dort sind, treffe ich, wenn ich mal wieder zuhause bin. Regelmäßigen Kontakt habe ich mit Professor Philip Clart, der mich stets unterstützt hat. Ohne ihn wäre ich jetzt sicher nicht da, wo ich bin.

 

4. Welchen Tipp würden Sie Interessent*innen an einem Sinologie-Studium geben? Was würden Sie gegenwärtigen Studierenden der Sinologie mit auf den Weg geben?

 

Das ist eigentlich ganz einfach: Man sollte Spaß am Studium haben! Schon mit Ernst bei der Sache sein, aber das ganze Drumherum nicht vergessen. Und was Auslandsaufenthalte angeht: Neugierde darauf, was anders ist. (Um dann überrascht festzustellen, wie viel man eigentlich teilt.) Es gibt da so ein paar goldene Regeln, die fast immer gelten: Mit Höflichkeit, Offenheit und Freundlichkeit kommt man so ziemlich überall gut an. Dabei braucht man sich auch nicht zu verstellen. Und durch manche Sachen muss man eben durch: Ich hab mich am Anfang auch gezwungen, in Taiwan die Schweine-Innereien in einer Stinktofu-Suppe zu essen (臭臭鍋, wer’s genau wissen will), sehr zum Amüsement des jungen Studierenden, der uns dorthin führte. Und später gelernt, dass man—außer im Impro-Theater—nicht immer und überall ja sagen muss.

Für Studieninteressierte: Es ist okay, Sachen auszuprobieren. In dem Alter wissen doch die wenigsten, was sie genau wollen. Und man kann sich auch später noch umentscheiden. Gewisse grundlegende Dinge lernt man ohnehin in vielen Fächern. Also: Alles halb so wild. Ich habe keinen Bachelor studiert, insofern ist das vielleicht mit Vorsicht zu genießen: Aber die Studienzeit sollte die geilste Zeit des Lebens sein. Da spielt das Studium—klar—die Hauptrolle, aber eben nicht die einzige. Glückliche Menschen sind bessere Menschen!

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Linus Schlüter, Foto: privat

Mein Studium der Sinologie liegt nun schon fast 20 Jahre zurück. Als ich anfing zu studieren war das Internet noch in den Anfängen – man wählte sich mit einem Modem ein, und dann konnte keiner in der WG telefonieren. Apple-Computer waren totgesagt und nur für Grafiker, der Rest nutze PCs mit Win 3.11 – damit war Chinesisch tippen noch nicht wirklich möglich, sondern erforderte Zusatzsoftware.

Ich gehöre zu der Generation, die noch gemustert wurde und 13 Jahre fürs Abitur brauchte. Weil ich bei der Musterung angab, auf jeden Fall zu verweigern, wurde ich auch nicht aussortiert. Klar war für mich: Ich suche mir eine Zivildienststelle am anderen Ende der Republik, dann bin ich bei Zugfahrten immer auf dem Heim- oder auf Dienstweg und mein Dienstausweis war gleichzeitig Fahrkarte. Dies nutzte ich auch, um mir diverse Universitätsstädte anzuschauen. Fachlich sagten meine Zensuren, ich sollte etwas mit Mathe machen; beruflich rieten mir davon aber Bekannte ab: Ich würde arbeitslos werden. Also warum mich mit Mathe quälen und Nerd werden, wenn es auch Studieninhalte gibt, die sich mit Kultur, Religion und Denkweisen des Menschen beschäftigen? Was ist das für eine Bereicherung im Gegensatz zum Jonglieren mit Zahlen? Ich bereiste verschiedene Universitätsstädte, sprach dort mit Institutsmitarbeitern und traf aus dem Bauch heraus eine Entscheidung: Religionswissenschaft und Sinologie.

Nun lernte ich an der Universität Marburg bei Marie-Luise Beppler-Lie Chinesisch, mit einem Lehrwerk, was noch in der Entwicklung war und sowohl Kurz- als auch Langzeichen hatte. Der Sprachkurs leerte sich schnell. Von anfangs um die 20 Personen waren nach einem Semester eine gute Handvoll übriggeblieben.

Um zu sehen, ob ich auch wirklich mit China klarkomme, nutzte ich die Semesterferien für eine Reise durch China mit Macao, Hongkong und Taiwan. Glücklicherweise wurde ich zum Abitur mit einem Geldpreis für meine Mathefähigkeiten ausgezeichnet, was mir diese Reise ermöglichte. Sprachlich konnte ich mich überhaupt nicht verständigen; ich war auch noch nordisch-kühler Art, und Smalltalk gehörte nicht zu meiner Kulturerfahrung. Gleich in den nächsten Semesterferien flog ich wieder – nur nach Taiwan, und ich buchte einen Monat einen privaten Sprachkurs, damit die Kommunikation mit real existierten Chinesen vielleicht doch klappt. Mein Lehrwerk trainierte eher das wissenschaftliche Lesen, aber nicht das Sprechen. In dem Sprachkurs saß ich mit Expats, die alle fröhlich auf Chinesisch schwadronierten, ich verstand kein Wort. Sobald aber die Bücher aufgeschlagen wurden, klebten die am Bopomofo, was neben den Schriftzeichen abgedruckt war, und lasen wie Erstklässler stockend und unzusammenhängend. Das war dann meine Stunde, denn Zeichen hatte ich gebüffelt, und lesen (auch wenn mit falschen Tönen) viel daher nicht schwer.

Ich bekam dann auch noch ein Jahresstipendium für Taiwan. Aus dem Jahr wurden dann insgesamt 2,5 Jahre – ich denke, dass dies der Grund für mein akzeptables Chinesisch ist. Mein Chinesisch wäre wahrscheinlich etwas besser, wenn ich nicht viel Unterricht mit anderen Deutschen genommen hätte und mich eher vom Niveau tiefer hätte einordnen lassen. Schnell saß ich im Zeitungslektürekurs, wo einfach zu viele unbekannte Zeichen waren, was mich eher abstumpfen liess, als mich zu motivieren, noch mehr Zeichen zu lernen.

Viel habe ich in den Kursen mit Asiaten gelernt und insbesondere im Taiwanesischkurs. Ich kann zwar kein Taiwanesisch, aber mir wurde auf Chinesisch erklärt, wie die taiwanesische Sprache funktioniert. Inhalt war letztlich klar, ich konnte mich voll auf die Sprachverwendung konzentrieren: Ah, so drückt man das auf Chinesisch aus. Mein Tipp wäre daher: Vor Ort in einen Sprachkurs einer anderen Fremdsprache setzen – wie wäre es mit Italienisch in China lernen? Neben etwas Italienisch lernt ihr eine ganze Menge Chinesisch.

Auch war das Gasthören in einem Fachkurs hilfreich – an der Fujen Catholic University gab es den Studiengang Religionswissenschaft. Ich wählte im Vorlesungsverzeichnis zwei Kurse aus, stellte mich vor die Seminartür und fragte die Dozenten, ob ich einfach zuhören dürfte. Ich war nun weg von den langweiligen, fernab der Realität stattfindenden Lektionstexten, über die auch nicht wirklich diskutiert werden konnte. Ich saß nun in Kursen, wo alle sich bewusst für den Inhalt entschieden hatten: Religionspsychologie, religiöse Bauwerke Europas, Volksreligion Taiwans.

Mein Studium beendete ich in Leipzig – ich wählte den Studienort wegen der Lehrstuhlbesetzung in der Religionswissenschaft. Schwerpunkte waren unter Prof. R. Moritz Philosophie Chinas bis zur Song-Zeit sowie Volksreligion Chinas bei Prof. H. Seiwert. Mir kam es sehr entgegen, dass im Magisterstudium die Vorgaben sehr lose waren, und ich nutzte es, in anderen Fachbereichen Seminare und Vorlesungen zu besuchen.

Was ich mit dem Abschluss anfangen könnte, war mir völlig schleierhaft. Aber vielleicht ist es meine norddeutsche Art und die Gewohnheit mit Gezeiten und dem Wetter zu leben: Wir können erst auslaufen, wenn die Flut da ist und der Wind richtig steht. Und mit Ende des Studiums kam das Angebot als Reiseleiter für China aktiv zu sein – ich durfte kleine Gruppen mit dem Fahrrad durch China führen, und ihnen meine Sichtweise auf die chinesische Welt erklären. Das war sehr erfüllend, jedoch mit viel Fliegen verbunden. Also arbeitete ich mehr im Büro des Reiseveranstalters und übernahm Planung und Buchung. Ich merkte nun, dass etwas BWL gut wäre und sattelte einen Betriebswirt drauf.

Nun bin ich seit 2010 am Konfuzius-Institut Leipzig. Auch hier ist es Aufgabe Kultur und Sprache Chinas zu vermitteln – eine Aufgabe, die ich gerne mache und unter dem Aspekt sehe, dass die Auseinandersetzung mit China das Bewusstsein für die eigenen, impliziten kulturellen Muster schärft. Wichtigste Fähigkeit aus dem Studium ist das selbständige Strukturieren und Einarbeiten in Themen – das benötige ich für die Arbeit. Es gibt nicht einen Leitfaden und ein Schema F für die Aufgaben, sondern ich selber muss sie strukturieren und eine Richtung geben.

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1. Warum hatten Sie sich für ein Sinologiestudium entschieden?

Keine beruflichen Ziele, eigentlich Mathe, war aber vor Computerwelle und wäre im Lehrberuf oder Versicherungsmathematik gelandet.
 

2. Welchen Tipp würden Sie Interessent*innen an einem Sino-Studium geben? Was würden Sie gegenwärtigen Studierenden der Sinologie mit auf den Weg geben?

 

Gute Sprachkenntnisse erarbeiten – vor Ort möglichst nicht mit den „Wessis“ zusammenhängen, nach halbem Jahr vor Ort mal Gasthören in einem Fachbereich; Sprachkurs einer europäischen Sprache belegen

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Ming Cheng, Foto: privat

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