Die Leipziger Professur für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte verfügt über zahlreiche Materialien zur Geld- und Währungsgeschichte, Quellen zur historischen Statistik sowie Kopien der von Wilhelm Abel zusammengetragenen preis- und lohngeschichtlichen Bestände. Sie finden hier einen Überblick sowohl über die Entstehung der Sammlungen als auch über konkrete bisherige Arbeiten und künftige Forschungsvorhaben.

Entstehung und Geschichte der Sammlungen

Der Ursprung der Sammlungen geht auf den deutschen Wirtschaftsjournalisten Moritz Elsas und seine Mitarbeitenden zurück. Von ihnen wurden in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts im Auftrage des Internationalen Komitees zur Erforschung der Preise und Löhne (Beveridge-Komitee) mit Förderung durch die Laura-Spelman-Rockefeller-Foundation Quellen aus zahlreichen deutschen Archiven erhoben. Das Material umfasst Lohn- und Preisdaten vieler Städte in einem Zeitraum vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Elsas musste 1933 aus rassischen Gründen emigrieren und hat in den vierziger Jahren von England aus lediglich die Daten der sechs am besten besetzten Städte veröffentlicht.

Das Material galt vorübergehend als verschollen, wurde jedoch 1963 vom weltbekannten Wirtschaftshistoriker Prof. Dr. Dr. h.c. Wilhelm Abel, dem Leiter des Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Georg-August-Universität Göttingen, nach längerer Suche im Keller der London School of Economics aufgefunden und 1964 als Dauerleihgabe nach Göttingen geholt. Es ist heute Teil der dortigen Staats- und Universitätsbibliothek.

Aufbauend auf den Elsas-Beständen ließ Wilhelm Abel in den Jahren 1967 bis 1972 im Rahmen des DFG-Schwerpunktes zur Frühindustrialisierung insbesondere Lohn- und Einkommensdaten, aber auch Preisnotierungen zu weiteren Städten zusammentragen. Der zeitliche Schwerpunkt lag hierbei zwischen 1750 und 1850 und setzte damit die Arbeiten von Elsas bis in die Phase der Frühindustrialisierung fort. Abel selbst hat zahlreiche Ausschnitte aus diesem Material in seinen Veröffentlichungen verwendet.

Die Sammlung und Auswertung von Daten wurde dann unter Abels Nachfolger Karl Heinrich Kaufhold mit Hilfe von Fördermitteln der VW-Stiftung, der DFG und des niedersächsischen Wissenschaftsministeriums auf andere Bereiche ausgeweitet und in großem Umfang fortgeführt. Die Sammlungen sind nunmehr als Leihgabe an die Professur für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte im Historischen Seminar der Universität Leipzig übergegangen.

Inhalt und Verwendung der Sammlungen

Kurzbeschreibung

Die unter Professor Dr. Wilhelm Abel (Göttingen) von zahlreichen Mitarbeitenden zusammengetragenen der ehemals Göttinger „Lohn- und Preisgeschichtlichen Sammlungen“ wurden in den 1980er Jahren von Arbeitsgruppen unter Leitung von Dr. Hans-Jürgen Gerhard (Göttingen) um preishistorische Datenbestände aus rund 50 nordwestdeutschen Städten und der Montanregion Harz erweitert und dabei auf einen Zeitraum von 1650 bis 1850 ausgedehnt. Einzelne Reihen gehen auch bis ins Mittelalter zurück. Während die unter Abel gewonnenen Daten in Form von handschriftlichen Aktenexzerpten auf Formblättern vorliegen, wurden später die betreffenden Quellen den Sammlungen als Mikrofilmaufnahmen oder Kopien hinzugefügt. Die Lohn- und Einkommensdaten sind zum weit überwiegenden Teil in Editionen veröffentlicht, von den vorhandenen Preisreihen lediglich die rund 400 wichtigsten. In den 1990er Jahren wurden die Sammlungen durch eine breit angelegte Dokumentation von Quellenkopien zur Währungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches vom 16. bis zum 18. Jahrhundert erweitert, die einen umfassenden Überblick über die Geld- und Währungsgeschichte vor allem des Obersächsischen, des Niedersächsischen, des Fränkischen, Bayerischen und Schwäbischen Reichskreises bieten. 

Bisherige Veröffentlichungen

  • Hans-Jürgen Gerhard, Diensteinkommen der Göttinger Officianten 1750 – 1850. (Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 12), Göttingen 1978, 534 S.
  • Hans-Jürgen Gerhard (Hg.), Löhne im vor- und frühindustriellen Deutschland. Materialien zur Entwicklung von Lohnsätzen von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. (Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Band 7), Göttingen 1984, 631 S.
  • Hans-Jürgen Gerhard, Karl Heinrich Kaufhold (Hg.), Preise im vor- und frühindustriellen Deutschland. Grundnahrungsmittel. (Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bd.15), Göttingen 1990, 417 S.
  • Hans-Jürgen Gerhard, Frühneuzeitliche Preisgeschichte. Historische Ansätze und Methoden. In: E. Schremmer (Hg.): Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Gegenstand und Methode. (VSWG Beiheft 145), Stuttgart 1998, S. 73-87.
  • Hans-Jürgen Gerhard (unter Mitarbeit von Alexander Engel), Preise als Indikatoren von Marktverflechtungen des nordwestdeutschen Raumes 1800 bis 1850. In: Karl Heinrich Kaufhold / Markus A. Denzel (Hg.): Der Handel im Kurfürstentum / Königreich Hannover (1780 - 1850). Gegenstand und Methode, Stuttgart 2000, S. 101–138.
  • Hans-Jürgen Gerhard, Karl Heinrich Kaufhold (Hg.), Preise im vor- und frühindustriellen Deutschland. Nahrungsmittel – Getränke – Gewürze, Rohstoffe und Gewerbeprodukte (Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bd. 19/20), Stuttgart 2001, 543 S.
  • Markus A. Denzel, Hans-Jürgen Gerhard, Global and local aspects of pre-industrial inflations. New Research on inflationary processes in 18th-century central Europe. (Beitrag zum internationalen Wirtschaftshistoriker-Kongress in Buenos Aires 2002, Druck in Vorbereitung, ca. 25 Seiten). In deutscher Fassung in Druck: VSWG Heft 1, 2003.

Kurzbeschreibung

Dieser Bestand umfasst in Form von Fotokopien und Exzerpten umfangreiche Materialien zur historischen Statistik Preußens, Hannovers und Ostfrieslands. Ihre Erhebung wurde im Rahmen des Schwerpunktes Historische Statistik von der DFG bzw. für Ostfriesland von der tenDoornkaat-Stiftung gefördert. Das Datenmaterial wurde nahezu vollständig veröffentlicht. Die Auswertung erfolgte bisher im Rahmen zahlreicher Aufsätze.

Bisherige Veröffentlichungen

  • Karl Heinrich Kaufhold, Inhalt und Probleme einer preußischen Gewerbestatistik vor 1860, in: Wirtschaftliche und soziale Strukturen im saekularen Wandel. Festschrift für Wilhelm Abel zum 70. Geburtstag, Hannover 1974, (Schriftenreihe für ländliche Sozialfragen 70), S. 707–719.
  • Karl Heinrich Kaufhold, Wieland Sachse (Hg.), Gewerbestatistik Preußens vor 1850, Bd. 1. Das Berg-, Hütten- und Salinenwesen. (Quellen und Forschungen zur Historischen Statistik von Deutschland 5), St. Katharinen 1989, XXXI, 372 S.
  • Karl Heinrich Kaufhold, Die gewerbliche Entwicklung in Oberschlesien zwischen 1770 und 1850 im Spiegel der Gewerbestatistik, in: Pierenkemper, Toni (Hrsg.): Industriegeschichte Oberschlesiens im 19. Jahrhundert. (Studien der Forschungsstelle Ostmitteleuropa a.d. Universität Dortmund 8), Wiesbaden 1992, S. 51–76.
  • Karl Heinrich Kaufhold, Ulrike Albrecht (Hg.), Gewerbestatistik Preußens vor 1850, Bd. 2. Das Textilgewerbe. (Quellen und Forschungen zur Historischen Statistik von Deutschland 6), St. Katharinen 1994, 564 S.
  • Karl Heinrich Kaufhold, Preußische Staatswirtschaft – Konzept und Realität – 1640–1806. Zum Gedenken an Wilhelm Treue, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1994/2, S. 33–70.
  • Karl Heinrich Kaufhold, Die Organisation und die innere Struktur des Seidengewerbes in Berlin um 1800. In: Feldenkirchen, Wilfried u. a.: Wirtschaft, Gesellschaft, Unternehmen. Festschrift für Hans Pohl zum 60. Geburtstag. Stuttgart 1995, (VSWG Beiheft 120), S.181–202.
  • Karl Heinrich Kaufhold, Die historische Gewerbestatistik im Rahmen einer historischen Statistik von Deutschland (bis 1914), in: Baten, Jörg/Denzel, Markus A. (Hrsg.): Wirtschaftsstruktur und Ernährungslage 1770 – 1870, St. Katharinen 1997, S. 7–20.
  • Karl Heinrich Kaufhold, Das Gewerbe in den östlichen Provinzen Preußens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Neugebauer, Wolfgang/Pröve, Ralf (Hrsg.): Agrarische Verfassung und politische Struktur. Berlin 1998, S. 13–35.
  • Karl Heinrich Kaufhold, Uwe Wallbaum (Hg.), Historische Statistik der preußischen Provinz Ostfriesland 1744 – 1806 (Quellen zur Geschichte Ostfrieslands 16), Aurich 1998, 657 S.
  • Karl Heinrich Kaufhold, Markus A. Denzel (Hg.), Historische Statistik des Kurfürstentums / Königreichs Hannover. (Quellen und Forschungen zur Historischen Statistik von Deutschland 23), St. Katharinen, 1998, 224 S.
  • Karl Heinrich Kaufhold, Ulrike Albrecht, Bernd Holschumacher (Hg.), Gewerbestatistik Preu&szligens vor 1850, Bd. 3. Ausgewählte Gewerbe: Bau- und Ausbau, Bekleidung, Leder, Metallverarbeitung, Holzverarbeitung, Nahrung und Genuss, Mühlen. (Quellen und Forschungen zur Historischen Statistik von Deutschland 21), St. Katharinen 2000, LXXVIII, 1097 S.

Kurzbeschreibung

In diesem Sammlungsbestand sind Quellmaterialien aus zwei mit Drittmitteln geförderten großen Projekten zusammengeflossen:

  1. einem Forschungsvorhaben zur Geld- und Währungsgeschichte der deutschen Reichskreise (VW-Stiftung) und
  2. einem Forschungsvorhaben zu den Wandlungen im deutschen Währungswesen des 18. Jahrhunderts (DFG).

Die Materialien liegen in Form von Kopien vor. Beide Projekte standen unter der Leitung von Hans-Jürgen Gerhard. Von den beteiligten Forschungsgruppen wurden die betreffenden Materialien in den Archiven in Dresden, Hamburg, Hannover, Lübeck, Magdeburg/Wernigerode, Schleswig, Stuttgart und Wolfenbüttel gesichtet und in Auswahl erhoben. Eine Auswertung erfolgte bisher nur in begrenztem Umfang im Rahmen von Aufsätzen.

Bisherige Veröffentlichungen

  • Hans-Jürgen Gerhard, Ursachen und Folgen der Wandlungen im Währungssystem des Deutschen Reiches 1500 – 1625. Eine Studie zu den Hintergründen der sogenannten Preisrevolution. In: E. Schremmer (Hg.): Geld und Währung vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. (VSWG, Beihefte 106 ) Stuttgart 1993, S. 69–84.
  • Hans-Jürgen Gerhard, „Ein schöner Garten ohne Zaun“. Die währungspolitische Situation des Deutschen Reiches um 1600. In: VSWG 81. Band Heft 2, Stuttgart 1994, S.158–177.
  • Hans-Jürgen Gerhard, Neue Erkenntnisse zum Münzvergleich von Zinna. Wandlungen in der Währungsstruktur des Reiches in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In: Ders. (Hg.): Struktur und Dimension. Festschrift für Karl Heinrich Kaufhold zum 65. Geburtstag. 1. Band: Mittelalter und Frühe Neuzeit (VSWG Beiheft 132), Stuttgart 1997, S. 138–172.
  • Hans-Jürgen Gerhard, Vom Leipziger Fuß zur Reichsgoldwährung. Der lange Weg zur „deutschen Währungsunion“ von 1871/76. In: Reiner Cunz (Hg.): Währungsunionen. Beiträge zur Geschichte überregionaler Münz- und Geldpolitik (Numismatische Studien, Band 15), Hamburg 2002, S. 249–290.

Künftige Forschungsvorhaben

Sieht man von einer Monographie zur Preisbildung in der vorindustriellen Zeit einmal ab, die einen vorläufigen Abschluss der preishistorischen Arbeiten bilden soll, erstrecken sich die derzeitigen Planungen auf den Bereich Geld- und Währungsgeschichte und umfassen zwei umfangreiche Vorhaben:

  1. eine Monographie zur Währungspolitik der deutschen Reichskreise (Hans-Jürgen Gerhard) und
  2. unter Federführung von Markus A. Denzel und Mitwirkung von Karl Heinrich Kaufhold, Hans-Jürgen Gerhard und einer Reihe weiterer Fachkollegen eine zweibändige ausführlich kommentierte Veröffentlichung ausgewählter geld- und währungshistorischer Dokumente, die dazu dienen soll, den gesamten Komplex von der Edelmetallproduktion und dem Gold- und Silberhandel, über die Münz- und Probiertechnik, die Währungspolitik und den Geldumlauf bis hin zu den Fragen des Geldwertes und der Geldkultur für den Zeitraum von etwa 1480 bis 1806 beispielhaft darzustellen und zu beleuchten.

 

Potenzial für umfassende statistische Auswertungen

Möglichkeiten zu vertiefter Auswertung insbesondere auch mit Hilfe neu entwickelter mathematisch-statistischer Methoden stecken in allen drei Sammlungsbereichen. So wurden beispielsweise die Preismaterialien nur zum Teil und nur auf der Basis berechneter Jahrespreise veröffentlicht. Die gesammelten Daten liegen dagegen häufig in Form von Monats- oder Wochenpreisen vor. Auch erstrecken sie sich auf eine viel größere Anzahl von Städten, als aus den herausgegebenen beiden Bänden ersichtlich, und selbst aus diesen liegen oft zahlreiche weitere Preisnotierungen vor.

Das übrige sehr umfangreiche Material muss, um es verwendungsfähig zu machen, in die EDV eingegeben und aufbereitet werden. Angesichts gravierender Mängel an vergleichbarem Material aus vorindustrieller Zeit erscheint diese Arbeit durchaus sinnvoll, auch wenn sie mit Sicherheit zeit- und geldaufwendig sein wird. Darüber hinaus wäre eine Ausweitung der Preiserhebungen und der historischen Statistik auf andere Regionen des Deutschen Reiches denkbar und wünschenswert.

 

Potenzial für Arbeiten zur Geld- und Währungsgeschichte

Der Bestand zur deutschen Geld- und Währungsgeschichte enthält unter anderem neben den Quellen zu lediglich verbal darstellbaren historischen Abläufen Tausende von Daten zu Geldkursen der vorindustriellen Zeit. Die Aufnahme dieser Informationen auf Datenträger und ihre Auswertung könnte es unter anderem erstmals ermöglichen, für weite Bereiche des Heiligen Römischen Reiches die Hunderte von umlaufenden Münzen auf den Rheinischen Gulden und in der Folge den Reichstaler von 1559/1566 als einheitliche bis ins 18. Jahrhundert hinein gültige Leitwährung zu beziehen und damit endlich eine bislang nicht vorhandene, aber von den historischen Wissenschaften dringend benötigte Vergleichs- und Umrechnungsmöglichkeit zu erstellen.

Dieser Bezug auf einheitliche Leitwährungen ließe sich mit Hilfe des Talers nach Leipziger Fuß, des Louis d´or und des Preußischen Talers nach Graumann bis zur Vereinheitlichung der deutschen Währung nach 1870 fortsetzen. Diese Arbeiten müssen aus der Sicht des Historikers oder der Historikerin trotz des erheblichen Aufwandes als besonders sinnvoll erscheinen.

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