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Europa im Mittelalter. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik
Herausgegeben von Michael Borgolte, Wolfgang Huschner und Barbara Schlieben
Die Reihe greift die in der Mediävistik oft erhobene, aber selten nachhaltig umgesetzte Forderung nach einer vergleichenden Betrachtung des europäischen Mittelalters auf. Seit 1999 werden hier Monographien und Sammelbände veröffentlicht, die gesellschafts- oder kulturhistorische, rechts- oder verfassungsgeschichtliche Fragestellungen in europäischer Perspektive behandeln. In den letzten Jahren werden auch verstärkt Ansätze zur transkulturell-globalhistorischen Erforschung Europas als Teil der mittelalterlichen Welt dokumentiert.
Hier finden Sie die Bände, die von der Leipziger Redaktion seit 2017 betreut wurden. Für die weiteren Bände sowie für weiterführende Informationen zum Erwerb der Bände schauen Sie bitte auf der Internetseite des DeGruyter-Verlags: zur Seite.
Wozniak, Thomas: Naturereignisse im frühen Mittelalter. Das Zeugnis der Geschichtsschreibung vom 6. bis 11. Jahrhundert, Berlin 2020 (Europa im Mittelalter, 31).
Die Umwelt wird zunehmend als vierte Grundkategorie der Geschichtswissenschaft neben Politik, Wirtschaft und Kultur wahrgenommen, aber gerade zum Früh- und Hochmittelalter fehlten bislang systematisch vergleichende Untersuchungen der Naturereignisse. Da die bisher angewandten Arbeitsweisen am frühmittelalterlichen Material versagen, mussten neue methodische Konzepte der Auswertung entwickelt werden, bei denen die überlieferten extremen Naturereignisse im Fokus stehen. Diese wurden aus historiographischen Quellen gefiltert, kategorisiert und analysiert. Dabei stellt sich einerseits heraus, dass mittelalterliche Autoren teilweise über unerwartet genaue Beobachtungsmöglichkeiten verfügten, sie aber andererseits ihre Beobachtungen nicht unreflektiert niederschrieben und keiner empirischen Genauigkeit verpflichtet waren. Insgesamt konnten anhand von Parallelüberlieferung oder Vergleichen etwa 1175 Ereignisse bezüglich ihrer intentionalen Nutzung analysiert werden. So bietet die Arbeit einen genauen Einblick in die Zuverlässigkeit der Wahrnehmung und die mögliche Instrumentalisierung der Darstellung extremer Naturereignisse und ihrer Folgen in den Quellen des 6. bis 11. Jahrhunderts.
Neustadt, Cornelia: Kommunikation im Konflikt. König Erik VII. von Dänemark und die Städte im südlichen Ostseeraum (1423-1435) (Europa im Mittelalter, 32), Berlin 2018.
Dieser Band widmet sich der Kommunikation in einem Konflikt aus der Perspektive ihrer Quellen. Maßgebliche Gegenparteien sind Erich von Pommern als König von Dänemark, Norwegen und Schweden sowie die Städte Lübeck, Hamburg, Stralsund, Rostock, Wismar und Lüneburg; den zeitlichen Rahmen bilden die Jahre 1423 bis 1435. Aufbauend auf einer Geschichte und Analyse der Archivbestände zu diesen Auseinandersetzungen werden drei Komplexe der Kommunikation vorgestellt: Die Entstehung und Wirkungsgeschichte eines Bündnisvertrages, der Tosate von 1423, der den grundsätzlichen Interessensgegensatz der Parteien demonstriert; einer erfolglosen Friedensmission der Jahre 1427/1428, die ungeheure Mengen an Schriftlichkeit produzierte, grundsätzlich aber an der Verweigerung von Schriftlichkeit scheiterte; und schließlich die Verhandlungen der Jahre 1428 bis 1434. Das Buch verknüpft die Methoden der Historischen Grundwissenschaften, die nach den Formen der Schriftzeugnisse, den damit verbundenen Bedeutungen und Funktionen fragt, mit den weitergehenden Dimensionen von Kommunikation als Wechselspiel von Informationsaustausch, Strategie, Inszenierung und Verständigungswillen
Böhme, Eric: Die Außenbeziehungen des Königreiches Jerusalem im 12. Jahrhundert. Kontinuität und Wandel im Herrscherwechsel zwischen König Amalrich und Balduin IV. (Europa im Mittelalter, 33), Berlin 2019.
Das Königreich Jerusalem, das 1099 nach der Eroberung der Heiligen Stadt entstanden war, prägte für fast 200 Jahre die Geschichte des Nahen Ostens. Seine politische Entwicklung wurde maßgeblich durch den Herrschaftsstil des gerade amtierenden Königs bestimmt und war damit stets den Faktoren Kontinuität und Wandel unterworfen. Die vorliegende Arbeit untersucht dieses Phänomen anhand der Außenbeziehungen unter Amalrich und seinem Sohn Balduin IV. (1163–1185). Ausgiebige Behandlung erfahren nicht nur die Beziehungen zu den islamisch geprägten Herrschaftskomplexen des Nahen Ostens und Kleinasiens, sondern ebenso jene zu Byzanz, zu den nördlichen Kreuzfahrerherrschaften sowie zu weiteren christlich geprägten Herrschaftskomplexen der Region. Auch die Beziehungen zu den verschiedenen Ansprechpartnern in Europa werden mit in den Blick genommen. Durch die ausführliche Analyse des weitgespannten Beziehungsnetzwerkes, das die Jerusalemer Könige und ihre Berater in der Zeit zwischen dem Zweiten und Dritten Kreuzzug unterhielten und aktiv weiterentwickelten, soll die bedeutende Rolle des Königreiches im Spannungsfeld zwischen dem lateineuropäischen, griechischen und islamisch geprägten Kulturraum deutlicher als bisher herausgestellt werden.
Roebert, Sebastian: Die Königin im Zentrum der Macht. Reginale Herrschaft in der Krone Aragón am Beispiel Eleonores von Sizilien (1349–1375) (Europa im Mittelalter 34), Berlin 2020.
Die Herrschaft von Königinnen gehört aktuell zu den am stärksten diskutierten mediävistischen Forschungsfeldern. Gleichwohl können in diesem Themenfeld aufgrund der oft sehr lückenhaften Quellenlage oft nur hypothetische Ergebnisse gewonnen werden. Die vorliegende Studie gestattet hingegen aufgrund einer breiten Quellenbasis, empirisch gesicherte Aussagen zur reginalen Herrschaft in der Krone Aragón zu tätigen. Als Fallbeispiel dafür dient Eleonore von Sizilien, als Gemahlin Peters IV. Königin in der Krone Aragón (1349–1375). Ihre Handlungsspielräume werden sowohl in ihrem Wirken als consors ihres Gemahls als auch als dessen Statthalterin untersucht. Einen besonders wichtigen Aspekt dafür stellt die Koordination der Regierung zwischen den beiden Monarchen dar, die sich anhand ihrer Korrespondenz detailliert herausarbeiten läßt. Darüber hinaus werden die sozialen Verbindungen mit den führenden Gruppen der Krone Aragón untersucht. Durch die Untersuchung dieser verschiedenen Felder kann gezeigt werden, dass die Herrschaftsausübung der Königin für die Monarchie essentiell ist. Damit lassen sich die Rolle der Herrscherin als politische Akteurin sowie das Verständnis der Monarchie als vielgliedrige Regierungsform besser konturieren.
Kohl, Thomas (Hg.): Konflikt und Wandel um 1100. Europa im Zeitalter von Feudalgesellschaft und Investiturstreit (Europa im Mittelalter, 36), Berlin 2020.
Die Jahrzehnte um 1100 waren in Europa eine einschneidende, konfliktreiche Wendezeit. Dieser Band betrachtet die Entwicklungen dieser Zeit nicht in nationalen Kontexten und Deutungschemata, sondern geht von Konflikten aus. Die einzelnen Beiträge beleuchten die Beziehungen zwischen ideengeschichtlichen Entwicklungen und lokalen Konflikten mit einem unterschiedlichen regionalen, lokalen oder gar persönlichen Zuschnitt, mit Schwerpunkten in Italien, Frankreich und im römisch-deutschen Reich. Viele Beiträge präparieren die Momente heraus, in denen neue Formen der Entscheidungsfindung in Konflikten vor dem Hintergrund der politischen und strukturellen Umbrüche der Zeit sichtbar wurden. Damit geraten die vorherrschenden Forschungsparadigmen zu dieser Zeit (z.B. Investiturstreit, Feudalgesellschaft, Kommunalisierung) in den Blick und werden hinterfragt. Im Ergebnis zeigt sich, wie komplex die Beziehungen zwischen Konflikten auf der lokalen Ebene und auf der Ebene der Reiche sowie den großen, übergreifenden Entwicklungslinien der Zeit waren. Der Wandel, der die Zeit um 1100 prägte, lässt sich so in neuer Weise als zusammenhängende, europäische Entwicklung verstehen.
Klein, Franziska: Die Domus Conversorum und die Konvertiten des Königs. Fürsorge, Vorsorge und jüdische Konversion im mittelalterlichen England (Europa im Mittelalter, 37), Berlin 2021.
Im Jahre 1232 gründete der englische König Heinrich III. die Domus Conversorum, das Haus der Konvertiten, vor den Mauern Londons. Diese in vielerlei Hinsicht einzigartige Institution verband die Fürsorge für zum Christentum konvertierte Juden mit der Gestaltung ihrer christlichen Zukunft. Doch auch jenseits der Domus finden sich im England des 13. Jahrhunderts zahlreiche Zeugnisse einer umfassenden königlichen Konvertitenpolitik. So wurden konvertierte Juden nicht nur im Londoner Haus untergebracht, versorgt und unterrichtet, sondern zugleich auf Klöster und Hospitäler im ganzen Land verteilt oder direkt im Dienste der Krone beschäftigt. Diese Studie fragt nach den Umständen und Herausforderungen des englischen Umgangs mit Konversionen und analysiert diese vor dem Hintergrund ihres präventiven Potentials. Dafür nimmt sie sowohl Grenzüberschreitungen und Grenzziehungen im Kontext jüdischer Konversion als auch die Judenpolitik Heinrichs III. und Eduards I. in den Blick und zeigt auf, wie Fürsorgehandeln und Kontingenzbewältigung ineinandergriffen. Damit verbindet sie auf innovative Weise die Forschungsstränge der jüdischen Geschichte und der Geschichte christlicher Fürsorge durch die Perspektive des Zukunftshandelns.