Wir erforschen Theater als Praxis, Kunstform und Institution und zugleich als elementaren Bestandteil von Kulturen und Gesellschaften. Grundlegend für die Arbeit des Instituts ist ein erweiterter Theaterbegriff, historisch und regional ausdifferenziert in vielfältigen Formen, Strukturen und Funktionen. Damit untersuchen wir neben Oper, Tanz, Schauspiel auch die Inszenierung des Politischen, die Ästhetisierung des Alltags in den Medien, Formen der gesellschaftlichen Selbstdarstellung und der Ritualisierung sowie Re-enactments historischer Ereignisse und öffentliche Spektakel.

Fremdheitsforschung

Jun.-Prof. Dr. Veronika Darian

Das Forschungsprojekt widmet sich der Beforschung von Fremdheit(en) und Fremdheitserfahrungen in theaterwissenschaftlicher Perspektivierung. Unter Einbezug von Gästen aus verschiedenen künstlerischen und wissenschaftlichen, theoretischen wie praktischen Bereichen, Metiers, Disziplinen, Genres, Forschungs- und Wissensfeldern soll der Fächer an Methoden, Zugängen, Perspektiven, Instrumenten und Tools erweitert werden, der einer gegenwärtigen und dringend notwendigen Fremdheitsforschung dienlich sein könnte.

Zur Vermittlung auch außerhalb rein akademischer Kontexte in die Gesellschaft und interessierte Öffentlichkeit hinein dient unter anderem die Veranstaltungsreihe REIHEN WEISE FREMD | STRANGE IN SERIES, die sich auch an öffentliche Veranstaltungsorte außerhalb der Universität begibt und unter Maßgabe sozio-kultureller Barrierefreiheit agieren will.

Finanziert durch: Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM)

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Bridge Markland mit nacktem Oberkörper
Bridge Markland "Die schönste Frau der Welt", Foto: Bridge Markland

Konstruktionen von Körper- und Geschlecht im höfischen Tanz (16.-18. Jahrhundert, Schwerpunkt Sachsen)

Dr. Janine Schulze-Fellmann

Die Tanzgeschichte Sachsens bezeugt anhand vielfältigster Dokumente bereits seit 1560 eine ausgeprägte Festkultur am Dresdner Hofe, die durch ein Spannungsverhältnis zwischen Macht, Körper und den ihn umgebenden Raum geprägt scheint. Vorbild für den Dresdner Hof war vor allem der französische Königshof, unter der Regentschaft Ludwig XIV. (1638-1715). Selbst in vielen Balletten die Hauptrolle verkörpernd, machte er den Tanz zu einer Königsdisziplin in direktem Sinne – und zu einem Machtinstrument par excellance.

In den letzten Jahren wurden erstmals Fragen nach der Konstruktion von Geschlecht im höfischen Tanz und die dort ablesbaren Inszenierungs-Praktiken (z.B. Tradition des cross-casting) in den Fokus genommen. Dabei handelt es sich zumeist um englischsprachige Untersuchungen, die sich auf den französischen Hof, unter der Regentschaft Ludwig XIV. beziehen. Im Hinblick auf die Festkultur am sächsischen Hof, stehen vergleichbare tanzwissenschaftliche als auch gendertheoretische Untersuchungen noch aus.

Theatrale Subversion oder (negative) Affirmation? Historisch-mediale Praktiken zum Umgang mit Transformationserfahrungen

Dr. Micha Braun

Ausgehend von Guy Debords jüngst wieder vermehrt rezipierter Analyse eines allumfassenden Spektakels in den spätmodernen Mediengesellschaften möchte ich nach Strategien der subversiven (Sasse, Žižek) oder negativen (Brock) Affirmation in historischen Konstellationen der Krisen- bzw. Transformationserfahrung fragen. An prominenteren Beispielen wie NSK oder The Yes Men, aber auch regionalen oder Netzprojekten wie RescEU oder Front Deutscher Äpfel lassen sich gegenwärtige Strategien eines ›Rétournement‹ (Debord) und der medialen Mimikry an hegemoniale Codes untersuchen, die sich den Krisensymptomen kapitalistisch bzw. neoliberal organisierter Gegenwartskulturen zuwenden. Diese gilt es, mit historischen Erfahrungen und Praktiken der Krisenbewältigung, insbesondere mit den Möglichkeitsräumen ostentativer Subversion und theatral sich äußernder Perspektivverschiebungen, abzugleichen: etwa Strategien der Überidentifikation in der historischen Avantgarde, gegenaufklärerischen Resistenzfiguren im 18. und 19. Jahrhundert oder auch parodistischen Verfahren der frühen Neuzeit.

Die Theaterarbeit von Benno Besson in Ost-Berlin: Utopie – Entfremdung – Theater

Prof. Dr. Gerda Baumbach, Rico Dietzmeyer, Sarah Peglow, Christoph Püngel, Franziska Schubert, Leonie Sowa

Das Projekt setzt sich zum Ziel, einen Beitrag zur Theatergeschichtsschreibung der DDR, die zu großen Teilen Desiderat ist, in kultur- und sozialhistorischer Ausrichtung zu leisten. Benno Bessons Inszenierungen in der DDR (1952-1977) nehmen zwischen den für Theater in der DDR bestehenden Polen ‚Affirmation‘ und ‚Subversivität‘ eine besondere Position ein. Sie waren Schritte auf dem Weg der Wiedergewinnung des Schauspielertheaters in der Spanne von Aktualität und Historischem, die zu einer außerordentlichen Publikumswirksamkeit führten.

In Bessons Theaterarbeit sind Artifizialität und Gesellschaftsphilosophie nicht zu trennen: es handelt sich um Experimente der Auseinandersetzung mit der Entfremdung und der Kritik der Arbeitsteilung in der Theaterarbeit (seit der Renaissance), in denen Spielweise, Kunstgriffe, Kommunikation mit dem Publikum und Gesellschaftsvision ineinander greifen – gemäß der von Wolfgang Heise geprägten Formulierung vom „Laboratorium der sozialen Phantasie“.

Vier Masterarbeiten liegen in ausgezeichneter bzw. sehr guter Qualität vor. Die bisherigen Ergebnisse werden in der nächsten Phase zu einem Band in der Reihe „Leipziger Beiträge zur Theatergeschichtsforschung“ zusammengefasst und in Gestalt von Dissertationen weiterverfolgt.

TANZFORSCHUNG IN DER DDR - KURT PETERMANN UND DAS TANZARCHIV

Dr. Melanie Gruß

Das Forschungsprojekt "Kurt Petermann und das Tanzarchiv - Tanzforschung in der DDR" widmet sich aus einer interdisziplinären Perspektive der Geschichte des Tanzarchivs Leipzig, die eng mit der Person Kurt Petermann verbunden ist. Die intensive Sichtung und Auswertung des umfangreichen Nachlasses Petermanns, der sich als Teil der Bestände des Tanzarchivs in der UB Leipzig befindet, bildet die Grundlage des Forschungsprojektes. Ziel des Forschungsprojektes ist die Verortung des Tanzarchivs und seiner Geschichte im Spannungsfeld von Institution, Praktiken und Akteuren, die sich permanent beeinflussen. So gilt es das Material auf mehreren Ebenen zu verorten: Ist die Entstehung des Tanzarchivs im Jahr 1957 eng mit der Konstituierung der DDR als souveräner sozialistischer Staat verknüpft, so wirken sich ebenso medientechnische Entwicklungen auf die Archiv- und Sammeltätigkeit aus.

In besonderem Maße muss auch der Sammlungsgegenstand selbst berücksichtigt werden. In seiner Flüchtigkeit ist der Tanz selbst nie objektiv zugänglich, sondern immer nur durch ein anderes - Videoaufzeichnungen, Notationen, Beschreibungen oder Musik - fassbar. Bereits in dem Begriff "Tanzarchiv" liegt damit ein Widerspruch verborgen, der es von anderen Archiven abhebt. So stellt sich in besonderem Maße die Frage nach der Existenzberechtigung und dem dahinter liegenden Bedürfnis. Ins Spiel kommt dabei v.a. die künstlerische Praxis und das Selbstverständnis von Tanz als Kunst. Die Bedingungen für das Ent- und Bestehen des Tanzarchivs sowie seine Entwicklung in der DDR und darüber hinaus nachzuvollziehen, verspricht daher aufschlussreiche Erkenntnisse auch für aktuelle Fragestellungen.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Filmrolle und Beschriftungszettel auf einem Tisch
Filmrolle aus dem Tanzarchiv, Foto: Tanzarchiv Leipzig

Das könnte Sie auch interessieren

Publikationen

mehr erfahren

Drittmittel­projekte

mehr erfahren

Veranstaltungen

mehr erfahren