Carl Reinecke (1824-1910) war die zentrale Figur im Leipziger Musikbetrieb des späten 19. Jahrhunderts: 35 Jahre stand er an der Spitze des Gewandhausorchesters; noch einige Jahre länger amtierte er als Professor für Komposition und weitere Fächer am Leipziger Konservatorium; darüber hinaus wirkte er als Gutachter, Arrangeur und Herausgeber für den ältesten und größten ortsansässigen Musikverlag, Breitkopf &Härtel. Schließlich war er auch ein äußerst produktiver Komponist, dessen Werke in diversen, vor allem Leipziger Verlagen erschienen und zu seinen Lebzeiten inner- und außerhalb Leipzigs häufig gespielt wurden.
Reineckes Wirken ist von weit mehr als nur lokalem Interesse, weil Leipzig seinerzeit zu den international wichtigsten Musikmetropolen zählte. Trotz seiner zentralen Position war Reinecke wegen seiner konservativen Haltung umstritten. Aus der Perspektive einer einseitig am Fortschrittsprinzip orientierten Musikgeschichtsschreibung wurde ihm vorgeworfen, nur Sachwalter des klassisch-romantischen Erbes gewesen zu sein. Eine solche Sichtweise verkennt, dass der Aufstieg Leipzigs zur »Musikstadt« seit dem frühen 19. Jahrhundert entscheidend durch die enge personelle und strukturelle Vernetzung der ortsansässigen Musikinstitutionen bestimmt wurde. In der Person Carl Reinecke fand diese Vernetzung ihre geradezu idealtypische Ausprägung.
Die Erforschung von Reineckes vielfältigem Wirken, die seit 2023 im Rahmen eines DFG-Projekts an den Instituten für Musikwissenschaft der Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« und der Universität Leipzig erfolgt, verspricht sowohl neue Einsichten in die Leipziger Musiknetzwerke als auch ein besseres Verständnis einer ihrer Schlüsselfiguren.
Auf dem Symposium werden die verschiedenen Felder von Reineckes Aktivitäten am Gewandhaus, am Konservatorium, im Verlagswesen und als Komponist beleuchtet und miteinander in Beziehung gesetzt.
Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.