Die satztechnische Analyse und ästhetische Würdigung musikalischer Werke bleibt ein zentrales
Feld musikhistorischer Forschung. Neben gattungsgeschichtlichen Traditionen werden auch
gattungsübergreifende Schnittpunkte fokussiert. Dabei geht es nicht nur um eine Vertiefung in
individuelle Züge einzelner Kompositionen, sondern auch darum, Tendenzen größerer Repertoires
statistisch herauszuarbeiten. Insbesondere sind bei der früher oft auf abstrakte, primär motivisch-
thematische Strukturen fixierten Analyse die emotionalen und semantischen Dimensionen von
Musik stärker einzubeziehen.

Projekte

Die Edvard-Grieg-Forschungsstelle wurde 1995 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster gegründet. Nach der Emeritierung ihres ersten Direktors, Prof. Dr. Ekkehard Kreft, kam sie unter das akademische Dach der Universität der Künste Berlin. Die Wiedereröffnung fand im Januar 2006 statt, die Leitung übernahm der Musikwissenschaftler Prof. Dr. Patrick Dinslage. Mit ihm als Direktor fand die Forschungsstelle im Februar 2016 eine neue Heimat an der Universität Leipzig im Institut für Musikwissenschaft. Sie ist durch eine satzungsgemäße Kooperation mit der Grieg-Begegnungsstätte Leipzig e.V. verbunden.

Die Edvard-Grieg-Forschungsstelle steht in engem fachlichen Kontakt mit dem Zentrum für Grieg-Forschung an der Universität Bergen und dem Institut für Musikwissenschaft der Universität Oslo. Zu den zahlreichen musikologischen Betrachtungen mit einer West-Ost-Perspektive soll sie mit ihrem musikwissenschaftlichen Nord-Süd-Dialog einen bewussten Kontrapunkt bilden. Zu den Aufgaben der Edvard-Grieg-Forschungsstelle gehören die Darstellung von Leben und Werk des bekanntesten norwegischen Komponisten Edvard Grieg und die Weiterentwicklung der Forschung über ihn. Die Ergebnisse dieser Arbeit gehen direkt in die Erweiterung und Bereicherung des Lehrangebots für die Studierenden ein.

Die Forschungsstelle hat in Leipzig mehrere internationale Kongresse zu Edvard Grieg veranstaltet. Die daraus resultierenden Sammelbände sind im Gudrun Schröder Verlag Leipzig erschienen.

Meldung zur Neuerscheinung

Dur versus Moll. Zur Geschichte der Semantik eines musikalischen Elementarkontrasts

hrsg. von Hans-Joachim Hinrichsen und Stefan Keym. Wien u.a.: Böhlau 2020.
560 S., 162 Notenbeispiele.

Die Polarität der beiden „Tongeschlechter“ Dur und Moll zählt zu den Grundlagen der europäischen Musik der Neuzeit. Wie kaum ein anderer Aspekt des Tonsatzes wird sie mit einer festen semantischen Konnotation verbunden. Demzufolge drückt Dur positive Gehalte aus (Freude, Triumph), Moll hingegen negative (Trauer, Tragik). Da Dur und Moll - anders als etwa einzelne Tonarten oder Modi - beim Musikhören leicht zu identifizieren sind, hat diese Konnotation die semantische Codierung und Deutung von Musik über Jahrhunderte hinweg maßgeblich geprägt.

Der Band umfasst 24 Beiträge, die überwiegend auf eine gleichnamige internationale Tagung zurückgehen, die im Herbst 2015 am Institut für Musikwissenschaft der Universität Leipzig stattfand.

Die Autorinnen und Autoren zeichnen die Geschichte der Semantik von Dur und Moll nach: von den Anfängen im 15. Jahrhundert über die systematische Etablierung des Gegensatzes im Laufe des 18. Jahrhunderts und seine vielfältigen Abstufungen im 19. Jahrhundert bis zur ambivalenten Rezeption in der Avantgarde- und Popularmusik der Gegenwart.

Verlagsseite

Die seit Adolf Bernhard Marx so genannte „Sonatenform“, die vor allem Kopfsätzen der großen klassisch-romantischen Instrumentalgattungen (Symphonie, Sonate, Quartett usw.) zugrunde liegt, wurde im deutschsprachigen Raum primär aus einer motivisch-thematischen Perspektive analysiert. Dagegen hat die angloamerikanische Forschung seit 1945 den Schwerpunkt auf harmonische Strukturen wie Tonarten und Kadenzen gelegt. Weniger beachtet wurden hingegen die expressiven Dramaturgien, die im Rahmen dieser Form gestaltet werden können und die sich in dem langen Zeitraum vom frühen 18. bis ins 20. Jahrhundert stark gewandelt haben. Sie werden durch Parameter wie Tongeschlecht, Dynamik und Tempo geprägt sowie durch bestimmte Formtopoi, deren Struktur, Semantik und kulturgeschichtliche Kontexte es gattungsübergreifend zu untersuchen gilt.