Das Ägyptische Museum in Leipzig ist mit etwa 7000 ausgestellten Originalobjekten auf zwei Etagen die größte Sammlung ihrer Art an einer Universität. Neben Gruppen von Studierenden sowie Schülerinnen und Schülern jährlich mehrere tausend individuelle Gäste die Sammlung. Doch um welche Besucher:innengruppen handelt es sich dabei genau?
Diese Frage wurde mithilfe einer fundierten Datenaufnahme nun eingehend untersucht. Eine solche Befragung ist für universitäre Museen bisher einmalig und beschreitet damit neue Wege. Für ein besseres Verständnis der diversen Besucher:innen und ihrer Bedürfnisse wurden neben Alter und Ausbildung insbesondere auch Motivation und Zweck des Besuchs erfragt. Mit diesen Informationen soll ein klareres Bild der bestehenden Besucher:innengruppen gezeichnet werden, das bislang nur durch die Zusammensetzung der Gäste von geführten Gruppen erhoben werden kann. Mithilfe der so ermittelten Daten können Zielgruppen klarer definiert und neue bedürfnisorientierte Wege für den universitären Wissenstransfer erschlossen werden, um so weitere gesellschaftliche Gruppen an Wissenschaft und Kultur heranzuführen und teilhaben zu lassen.
Den Rahmen des Forschungsvorhabens bildete die Bachelorarbeit der Studentin Hanna Nitsch (B.A. Geschichtsdidaktik) unter der Betreuung von Prof. Dr. Katrin Klausmeier (Uni Göttingen, Geschichtsdidaktik) und Dr. Jana Helmbold-Doyé (Kustodin des Ägyptischen Museums). Ausgehend von der fächerübergreifenden Lehrveranstaltung „Archäologie und Museumsarbeit“ von Dr. Helmbold-Doyé im Sommersemester 2023, in der unter anderem das Thema der Besucher:innentypen (Personas) in Museen behandelt wurde, entstand die Idee zu dieser Arbeit. Mittels zweier Erhebungen – gezielte qualitative Befragungen von Gästen vor dem Museumsbesuch zum einen sowie quantitative Abfragen von Basisdaten nach dem Rundgang zum anderen – wurden ab dem 1. Februar 2024 verschiedene Daten gesammelt. Während in den mündlichen Befragungen lediglich ein Leitfaden zur Gesprächsführung als Grundlage diente und somit ein hohes Maß an Individualität und Ergebnisoffenheit gewährleistet wurde, folgte die schriftliche Datenabfrage einem festen Fragenkatalog. Insgesamt konnten etwa 50 Individualbefragungen sowie über 100 Basisdatensätze aufgenommen werden.
Schwerpunkt der Bachelorarbeit von Frau Nitsch war es, ausgewählte Leitfadeninterviews zu untersuchen. Dafür wurde ein Teil der aufgezeichneten Befragungen transkribiert und mithilfe einer inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Die Ergebnisse dieser Auswertung zeigen, dass Museen von Besucher:innen vor allem mit Weiterbildung und Reflexion verknüpft werden, für die sie sich in ihrer Freizeit bewusst entscheiden. Sie sind daran interessiert, dadurch ein stärkeres Geschichtsbewusstsein aufzubauen und historisch zu denken. Museen werden als Orte des free-choice learnings durchgehend positiv bewertet, insbesondere die Relevanz der Institution Museum wird von allen befragten Personen uneingeschränkt anerkannt.
Es zeigt sich jedoch auch, dass Veränderungen in der Vermittlungs- und Ausstellungstätigkeit notwendig sind, um dem vom Deutschen Museumsbund formulierten Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe vollumfänglich gerecht zu werden und Museen nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch für Alle offen und nachhaltig wirksamer zu gestalten. In den Befragungen wurde darüber hinaus deutlich, dass sprachliche Diversität, Interaktionsmöglichkeiten und eine verständlichere Sprache zentrale Anliegen der Besucher:innen sind. Diese Wünsche entsprechen den Zielsetzungen der Wissenschaft und Museumslandschaft selbst.
Die Aussagekraft der bisherigen Auswertung ist beschränkt und keinesfalls allgemeingültig, doch sie ermöglicht einen wertvollen ersten Einblick und kann als Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen dienen. Neben der quantitativen Einsicht in die Besucher:innenstruktur des Ägyptischen Museums werden wir im Rahmen von didaktischen und gestalterischen Veränderungen darauf reagieren.